
Doch dazwischen lagen ein paar Monate in einer Drogenentzugsklinik. Wie sein Vorbild Parker war Rollins früh dem Heroin verfallen. Er tauchte Ende 1955 wieder auf, spielte nun im Quintett von Max Roach, an der Seite des grossartigen Trompeters Clifford Brown. Als dieser und der Pianist der Band, Richie Powell (Buds Bruder) im Juni 1956 bei einem tragischen Umfall umkamen, machte Roach zunächst in Trio-Besetzung mit Rollins und dem Bassisten der Band weiter.
Rollins nahm 1956 eine Reihe von Alben für Prestige Records auf, die heute als Meisterwerke gelten, darunter "Work Time", "Tenor Madness", "Saxophone Colossus" und "Sonny Rollins Plus 4".
Ab 1957 war er als Freelancer unterwegs, doch die Reihe von grossartigen Alben brach nicht ab. Für Contemporary nahm er - nun im Trio-Format, das er in jener Zeit bevorzugen sollte, "Way Out West" auf, inklusive ikonischem Cover, das Rollins mit Revolver und Cowboyhut, das Saxophon im Anschlag, vor einer Wüstenkulisse zeigt. Für Blue Note entstand später im Jahr "A Night at the Village Vanguard", 1958 folgte die "Freedom Suite", mit der Rollins auch politisch Stellung bezog.
Doch Rollins war unzufrieden und verschwand plötzlich von der Szene. Erst Anfang 1962 tauchte er wieder auf, in der Zwischenzeit hatte er regelmässig auf der Williamsburg Bridge in New York geübt. Wie ein Bildungsroman mutet seine Biographie an, die ähnlich weiter verlief. Bis 1964 entstand eine Reihe weiterer toller Alben für RCA Victor. Das erste hiess passenderweise "The Bridge", es folgten Alben mit Coleman Hawkins und Don Cherry. In den Jahren 1965/66 nahm Rollins schliesslich auch noch für Impulse! ein paar Alben auf. Das Label war dank seiner Aufnahmen mit John Coltrane bekannt geworden, und folgerichtig traf Rollins für eins der Alben auch auf dessen ehemalige Rhythmusgruppe.
Dann zog Rollins sich erneut zurück, dieses Mal dauerte die Pause bis 1972, als er ein erstes Album für Milestone einspielte. Bei dem Label blieb er für die nächsten drei Jahrzehnte. Seine Bands waren inzwischen selten hochkarätig besetzt, doch sie begleiteten den Meister sachdienlich. Dieser liess sich nicht beirren und nahm bis zu seinem Rückzug Ende 2012 eine lange Reihe feiner Alben auf und gab bemerkenswerte Konzerte, bei denen seine Spontanität erst richtig zum Ausdruck kam.
Rollins Ton und Phrasierung sind so klar wie bei ganz wenigen, in seiner improvisatorischen Meisterschaft und Souveränität wirkt er wie der vielleicht einzige echte Erbe von Louis Armstrong. Dabei hilft ihm auch ein untrügliches Rhythmusgespür. Er verdichtet und dehnt die Zeit fast nach Belieben, doch wie eine Katze landet er immer auf den Füssen. Rollins' Ideenfluss, seine Fähigkeit, immer wieder unglaubliche Melodien zu erfinden, sind in der Tat einzigartig.
In diesem Portrait stelle ich Aufnahmen aus den Jahren 1951 bis 1964 vor, der Fokus liegt auf den besten Jahren des Meisters, wobei auch Kollaborationen mit Musikern wie Miles Davis, dem Modern Jazz Quartet, Thelonious Monk, John Coltrane oder Coleman Hawkins nicht fehlen.